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Was lässt der Koalitionsvertrag von Union und SPD zur künftigen Bienen- und Agrarpolitik erwarten?

 

Unter dem Titel „Koalitionsvertrag quergelesen - Union, SPD und das Bienenmonitoring“ amüsierte sich der Journalist Jens Twiehaus über einige interessante Fundstücke in den 185 Seiten der Vereinbarung zwischen den großen Volksparteien. Auch ihm war die unfreiwillige Komik folgender Passage nicht entgangen:

Bienenmonitoring

Zum Erhalt und Ausbau der Bienenhaltung in Deutschland sind gemeinsame Bund- Länder-Anstrengungen notwendig. Wir führen das Deutsche Bienenmonitoring mit dem mehrjährigen Untersuchungsprogramm weiter.“

In einem Beitrag, der bei N-TV veröffentlicht wurde, schrieb Herr Twiehaus „Eine eigene Zwischenüberschrift auf Seite 124 hat etwa das Deutsche Bienenmonitoring verdient, das mit einem mehrjährigen Untersuchungsprogramm weitergeführt werden soll. Die Vermutung liegt nahe: Um diesen Punkt wurde in den Verhandlungen zwischen Union und SPD nicht allzu lang gerungen.“

An beiden Parteien ist die Kritik von Imker- und Umweltverbänden an diesem Projekt spurlos vorbeigegangen. Noch schwerer wiegt, dass den Politikern und Fachbeamten auch nichts besseres zum „Erhalt und Ausbau der Bienenhaltung in Deutschland“ eingefallen ist, obwohl die Imkerverbände gemeinsame Vorschläge eingebracht hatten. (Siehe Forderungskatalog Imkerei für die Koalitionsgespräche der Parteien CDU/CSU-SPD)

Heiner Flassbeck ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er war von 1998 bis 1999 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. In seinem aktuellen Artikel über den Koalitionsvertrag findet sich folgender Absatz:

Dazu muss man wissen, wie ein solcher Vertrag entsteht. Zu Beginn der Verhandlungen geben alle Minister an ihre Heerscharen von Beamten die Order aus, alles Wichtige, was das Ministerium in der Vergangenheit gemacht hat, zu Papier zu bringen, um es für die nächsten vier Jahre zu sichern. Dann nehmen die Beamten ihre Erfolgsbilanzen, die sie schon einhundert Mal in den letzten vier Jahren niedergeschrieben haben, und drehen die üblicherweise vergangenheitsbezogenen Sätze in die Zukunft.

Und so kam es wohl, dass das Deutsche Bienenmonitoring als einzige Aussage zur Bienenpolitik im Koalitionsvertrag landete und sogar als Zwischenüberschrift dienen durfte.

Beim Rest der Agrarpolitik sieht es nicht viel besser aus:

Dünge- und Pflanzenschutzmittel müssen so eingesetzt werden, dass Risiken für Mensch, Tier und Naturhaushalt minimiert werden. Wir werden den Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz entschlossen umsetzen.“

Das klingt sehr schön. Leider ist der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz ein derartig zahnloser Tiger, das die Umweltverbände unter Protest aus dem dazugehörigen Forum ausgestiegen sind. Hier wird ein Plan ohne klare Zielvorgaben „entschlossen umgesetzt“.

Beim Thema Gentechnik gab es Hoffnungen

Grüne Gentechnik

Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“

Frühere Entwürfe enthielten noch eine Passage, die von der CDU zuerst strittg gestellt und in der Endfassugn gestrichen wurde:

Wir lehnen dementsprechend den Anbau, die Freisetzung und die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten in Deutschland und Europa im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ab.“

Dabei war auch diese Passage windelweich. Man hätte sich dann darauf raus reden können, dass die rechtlichen Möglichkeiten in der EU keine Anbauverbote zulassen. Ob man nochmal wie bei MON-810 versucht, einzelne Sorten zu verbieten wäre auch hier unklar geblieben.

Im endgültigen Vertrag heisst es weiter:

Wir treten für eine EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit genveränderten Pflanzen gefüttert wurden, ein. An der Nulltoleranz gegenüber nicht zu- gelassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln halten wir fest – ebenso wie an der Saatgutreinheit.“

Diese Frage steht aber eigentlich in Brüssel zur Zeit gar nicht zur Debatte. Viel wichtiger wäre eine klare Vereinbarung über das Abstimmungsverhalten von Deutschland zur Anbauzulassung vom Genmais 1507 von Pioneer gewesen.

Es fehlt auch eine klare Positionierung zur Neuauflage des Dalli-Vorschlags, Regionen in der EU unter bestimmten Vorraussetzungen zu erlauben, Anbauverbote auszusprechen.

Wie spezifisch die Vereinbarungen in einem Koalitionsvertrag seien können, ist im alten Text von Schwarz/Gelb nachzulesen:

Der Anbau der gentechisch veränderten Stärkekartoffel Amflora für eine kommerzielle, industrielle Verwertung wird unterstützt.“

Wie sich ein von Frau Merkel angeführte Bundesregierung in der Gentechnikfrage verhalten wird, wenn es im Koalitionsvertrag keine anderslautenden Vereinbarungen gibt, konnten einige Kollegen unlängst im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bewundern. Dort intervenierte das Bundeslandwirtschaftsministerium vertreten durch Dr. von Heydebrand und bat das Gericht eindringlich um Schutz der Gentechnikindustrie vor den Imkern. Jürgen Trittin hat bei Markus Lanz eine erhellende Bewertung der zu erwartenden Machtverältnisse in der GroKo abgegeben:

"Die CDU hat die eigentliche Machtposition. Das ist die Machtposition der Kanzlerin. Die war gar nicht darauf angewiesen, irgendwelche Sätze im Koalitionsvertrag durchzusetzen. Die wird das in der Regierungspraxis machen."

http://www.youtube.com/watch?v=8fjLPSIL9jk

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